Vorderes Kreuzband/ LCA-Plastik

Das vordere Kreuzband

Das Kniegelenk besitzt zwei Kreuzbänder. Die jeweils 8-10mm dicken Bänder verlaufen im Zentrum des Kniegelenks und kreuzen sich in der Kreuzbandgrube. Die Kreuzbänder stabilisieren das Kniegelenk und sorgen für eine kontinuierliche Führung auch unter starken Belastungen.

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Das vordere Kreuzband ist der zentrale Bewegungskoordinator im Kniegelenk, der nicht nur die Verschiebung des Unterschenkels gegen den Oberschenkel (vordere Schublade) sichert, sondern auch die Rotations- und Scherkräfte des Kniegelenks in Druckkräfte umformt. Menisci und Knorpel können sehr hohe Druckkräfte aufnehmen, erleiden bei Scherkräften allerdings häufig Schäden.

Oft entsteht nach einer Kreuzbandverletzung ein heimtückisches beschwerdearmes Intervall, bei dem die Patienten oft wenig Probleme haben. Durch das Einwirken der Scherkräfte kommt es aber über kurz oder lang zu Knorpel- und Meniskusschäden, die dann zu Dauerproblemen führen, welche therapeutisch meist schwer zugänglich sind. Deshalb sollte das Kreuzband zum Schutz dieser Strukturen ersetzt werden.

Neben der mechanisch stabilisierenden Funktion sind im Kreuzband auch sehr viele Sensoren enthalten, die über einen Reflexkreis die hintere Oberschenkelmuskulatur steuern, was zu einer guten Kontrolle des Schienbeinkopfes führt. Diese Muskeln können ihre Arbeit allerdings erst ab 25 Grad Kniebeugung erfüllen, da strecknah durch sie nur der Gelenkdruck erhöht werden kann. Aus diesem Grunde gibt es keinen völligen Muskelschutz für ein Kniegelenk ohne vorderes Kreuzband.

Wie ereignet sich ein Kreuzbandriss

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Die Verletzung des vorderen Kreuzbandes ist eine sehr häufig auftretende Sportverletzung. Ein Kreuzbandriss kann bei einer Verdrehbewequng des Kniegelenkes, oft auch zusammen mit Außen- oder Innenmeniskusrissen oder Seitenbandrissen des Kniegelenkes auftreten.

Bei Beuge-/Drehbewegungen wie z.B. beim Handball, Fußball oder bei Skiunfällen kommt es zu einem ungünstigen Hebelmechanismus, der von der Muskulatur nicht mehr verhindert werden kann, so dass das vordere Kreuzband reißt. Doch nicht immer verursacht ein schwerer Sturz oder eine Kollision die Verletzung, sondern es kann auch völlig banal durch ein sehr langsames Verdrehen des Kniegelenkes im Stehen oder durch ein Überstrecken zum Riss des vorderen Kreuzbandes kommen.

 

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Unbehandelt kann die Verletzung zu einer Instabilität des Kniegelenkes führen und so letztlich auch zur instabilitätsbedingten Abnutzung des Gelenkes. In den meisten Fällen einer vorderen Kreuzbandruptur muss deswegen, gerade bei sportlichen Patienten, die Empfehlung zur Operation gegeben werden.

Der Riss des vorderen Kreuzbandbandes (VKB Ruptur) gehört zu den häufigsten Bandverletzungen des Menschen. Studien geben eine Häufigkeit von einer VKB-Ruptur pro Jahr und pro 1000 Einwohner an.

Das vordere Kreuzband ist ein ca. 3,5 cm langes und etwa kleinfingerdickes Faserbündel, das zentral im Kniegelenk vom Schienbeinkopf zum Oberschenkelknochen zieht. Die Diagnose einer Kreuzbandruptur kann normalerweise anhand der Anamnese und einer eingehenden Untersuchung gestellt werden. Gesichert wird die Diagnose durch eine Kernspintomographie (MRT).

Beim Riss des vorderen Kreuzbandes kommt es zur Ausbildung einer Instabilität des Kniegelenkes. Die Gelenkfunktion ändert sich und die übrigen Stabilisatoren des Gelenkes werden zusätzlich belastet. Durch den Verlust des vorderen Kreuzbandes kommt es insbesondere bei unbewussten, muskulär nicht kontrollierten Bewegungen zum typischen Wegknicken mit Herausrutschen des Unterschenkels (sogenanntes Giving way).

Wiederholtes Wegknicken kann im Laufe der Zeit zur Auslockerung des Kapsel-Band-Apparates und so zu einer chronischen Knieinstabilität führen. Zusätzlich können Meniskusrisse und Knorpelschäden an den Oberschenkelrollen und am Schienbein entstehen. Eine rein muskuläre Stabilisierung der vorderen Kreuzbandinsuffizienz ist nicht vollständig möglich.

Therapie

Die Therapieentscheidung (konservativ oder operativ) ist ganz wesentlich von Art und Umfang der individuellen körperlichen Belastung des Betroffenen und seinen sportlichen und beruflichen Bedürfnissen abhängig. Viele Sportarten oder Berufe verlangen eine intakte Kniestabilität für die gefahrlose Ausübung, so dass der operative Ersatz des vorderen Kreuzbandes notwendig ist (Fußball, Skifahren, Zimmermann). Einige Sportarten sind weniger kniebelastend und oft auch ohne Vorhandensein des vorderen Kreuzbandes fast gefahrlos zu betreiben (Schwimmen, Radfahren).

Aktivitäten mit hohem Risiko:

  • Fußball, Basketball, Handball, Skifahren, Waldarbeit, Baugewerbe, Zimmermann

Aktivitäten mit niedrigem Risiko:

  • Wandern, Skilanglauf, Joggen auf ebenem Untergrund, Schwimmen, Radfahren, Rudern, Büroarbeit

Konservative Therapie (ohne OP)

Im Rahmen einer konservativen Therapie sind zunächst unter physiotherapeutischer Anleitung, später in Eigenregie ein muskuläres Aufbautraining und ein Koordinationstraining von besonderer Bedeutung.

Kraftaufbau: Die Muskulatur im Bereich des Kniegelenks wird mit spezifischen Kräftigungsübungen gestärkt. Insbesondere die Muskeln der Oberschenkelrückseite können Aufgaben des Kreuzbandes übernehmen.

Propriozeptives Training (Koordinationsschulung): Sinnesrezeptoren in den Sehnen steuern über einen Regelkreis über das Rückenmark die Lage des Körpers. Die Muskulatur erhält den Auftrag, wie die Gelenksbewegungen ausgeführt werden müssen. Durch die Verletzung des vorderen Kreuzbandes sind diese Rezeptoren beschädigt. Durch spezifisches Training können die Nerven wieder neu ausgebildet werden, um die Gelenksansteuerung wieder zu optimieren.

Neben dem aktiven Training kommt auch eine Kniebandage oder -orthese zum Einsatz, welche das Knie stabilisiert und schützt. Die Schiene wird individuell angepasst, was einen angenehmen Tragekomfort verspricht.

Operative Therapie

Die Operation des Kreuzbandes erfolgt heute in aller Regel nach Abschwellung (ca. 3-6 Wochen nach dem Unfall). Zudem wird auf die Bewegungsweite des Gelenks geachtet (100° Beugung sollten möglich sein) und auch die Funktion des Oberschenkelmuskels wird berücksichtigt, bevor die Operation durchgeführt wird. Bei zusätzlichen Verletzungen wie eingeklemmter Meniskus etc. muss auch sofort operiert werden.

Wie wird die Operation durchgeführt?

Der Eingriff wird heute arthroskopisch assistiert im Rahmen einer Kniegelenksspiegelung (arthroskopische Kreuzbandoperation) durchgeführt.

Bei der Operation wird zunächst das gesamte Gelenk arthroskopisch genau untersucht, die Verletzung des vorderen Kreuzbandes wird dargestellt, noch wichtiger ist jedoch die Suche nach Begleitverletzungen (Menisci oder andere Kapsel-Band Verletzungen).

Dabei werden neben 2 Einstichen zur Arthroskopie ein ca. 3 cm großer Schnitt am Schienbeinkopf zur Entnahme der Transplantatsehne vorgenommen. Zur Kreuzbandersatzplastik wird in aller Regel die Semitendinosussehne verwendet. Ist diese durch vorhergehende Operationen bereits entfernt, kann das mittlere Drittel der Patellasehne verwendet werden. Über Jahrzehnte wurde die Patellasehne erfolgreich als Standardtransplantat verwendet.

Vom Hautschnitt am Schienbeinkopf wird die Sehne mit einem Sehnenstripper entnommen. Man gewinnt mit der Semitendinosussehne ein Transplantat mit einer Länge von ca. 27 bis 30 cm. Die Sehne wird vierfach gefaltet und unter einer Vorspannung miteinander vernäht.

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Die Stümpfe des gerissenen Kreuzbandes werden vollständig arthroskopisch entfernt.

Mit Hilfe eines tibialen Zielgerätes wird ein Zieldraht in den Schienbeinkopf eingebracht, der zentral im Stumpf des gerissenen Kreuzbandes in das Gelenk eintritt. Der Draht wird anschließend mit einem Hohlbohrer überbohrt. Der Durchmesser des Bohrkanals richtet sich nach dem Durchmesser des angefertigten Sehnentransplantates zwischen 7 und 10 mm.

Ein weiteres Zielgerät für den Femur (Oberschenkelknochen) wird durch den innenseitigen Arthroskopieschnitt eingebracht. Mit Hilfe des femoralen Zielgerätes wird jetzt der femorale Bohrkanal hergestellt. Meist ist auch hier die korrekte Position des femoralen Kreuzbandansatzes durch einen noch erhaltenen kleinen Bandstumpf gegeben. Mit Hilfe des Zielgerätes wird jetzt ein weiterer Draht in den Femur eingebracht. Dieser wird überbohrt.

In den tibialen und femoralen Bohrkanal wird jetzt das Sehnentransplantat eingezogen. Im Oberschenkelknochen wird das Transplantat mit einem kleinen Titanplättchen aufgehängt. Danach wird am femoralen Tunneleingang eine schmale Knochenbrücke mit dem Meißel gebildet, sodass das eingezogene Band vollständig von Knochengewebe umschlossen wird, was die Einheilung deutlich verbessert. Hinter der Knochenbrücke wird zur festen Verblockung eine resorbierbare Schraube in den Femur eingedreht. Das in dem tibialen Kanal liegende Ende des Transplantates wird nun kräftig angespannt und mit einer weiteren resorbierbaren Schraube durch Verklemmung befestigt.

Wir verwenden hierzu meist eine sogenannte Retroscrew, die von innen in den tibialen Kanal, also rückwärts eingedreht wird, wodurch es beim Eindrehen der Schraube zu einem zusätzlichen Spannen des Kreuzbandtransplantats kommt.

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LCA6   Femorale Fixierung mit Knochenbrücke und resorbierbarer Schraube (bone wedge Technik).

 

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Tibiale Fixierung mit Retroscrew

 

 

 

 

 

 

Welche Komplikationen können auftreten?

Neben den allgemeinen Komplikationen einer Operation wie Infektion, Nachblutung, lokale Taubheitsgefühle, Thrombosen oder Embolien bestehen für eine Kreuzbandoperation spezielle Risiken. Sogenannte operationspezifische Komplikationen sind beispielsweise die Arthrofibrose – eine besonders gefürchtete Komplikation. Hierbei handelt es sich um eine Teilversteifung des Kniegelenks nach Kreuzbandplastik durch Vernarbung. Die Gefahr einer Arthrofibrose ist höher, wenn bereits kurz nach dem Unfall operiert wird.

Zyklopssyndrom – kugelförmige Narbenbildung aus dem tibialen Knochenkanal herauswachsend, was ein Streckdefizit nach sich zieht, durch eine Arthroskopie jedoch sehr gut therapierbar ist.

Diese spezifischen Komplikationen sind sehr selten und treten schicksalshaft auf, lassen sich also nicht durch geeignete Maßnahmen während der Operation vermeiden.

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung nach einer Kreuzbandersatzoperation ist langwierig und muss konsequent durchgeführt werden, um ein gutes Ergebnis zu erhalten.

Am 1. Tag nach der Operation kann die Redondrainage entfernt werden. Der Patient erhält jetzt eine bewegliche Rahmenorthese, die die aktive und passive Bewegung des Kniegelenks zwischen

0° und 90° Beugung zulässt. Auf einer motorbetriebenen Bewegungsschiene kann sofort passiv mobilisiert werden.

In aller Regel darf und soll der Patient bereits am Tag nach dem Eingriff unter Teilbelastung an Gehstöcken auftreten, um dem Muskelschwund vorzubeugen.

Ziel der frühzeitig begonnenen Physiotherapie ist ebenfalls das Erreichen einer Kniegelenksbeugung von 90°, einer Streckung von 0° sowie eine Kräftigung der kniegelenksstabilisierenden Muskulatur. Die Schulung der Propriozeption kann durch Trainingsgeräte unterstützt werden.

Nach 4 Wochen kann voll belastet und die Orthese entfernt werden.

Sobald der Patient eine aktive Beugung von 90° erreicht, kann ein Bewegungstraining auf einem Heimfahrrad durchgeführt werden. Joggen auf ebener Strecke wird frühestens 12 Wochen postoperativ empfohlen, Sportarten wie Fußball, Basketball und weitere Kontaktsportarten erst nach Ablauf von 6-12 Monaten. Fahrradtraining, Aquajoggen, Beinpresse und Kniebeugen sind angesagt, damit die Muskeln wieder funktionieren und das neue Kreuzband schützen. Leichtes Lauftraining ist meist nach 6-8 Wochen möglich. Nach 4 Monaten sollte der Patient wieder so fit sein, dass er mit verstärktem Kraft- und sportartspezifischem Training beginnen kann. Für 5-6 Monate ab Operation ist jedoch jeglicher Wettkampfsport mit Vollbelastung nicht empfohlen! Nach 6 Monaten erfolgt eine Abschlusskontrolle mit Stabilitätstestung, um die Kniefunktionen und die Schutzreflexe zu überprüfen.

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